Der
17. Juni 1953 war die erste Systemkrise der kommunistischen Diktatur
in der DDR. Sie reifte langfristig heran und ist nicht vordergründig
auf die Verschlechterung der Lebenslage und die Normerhöhung im Frühjahr
1953 zurückzuführen. Der Volksaufstand wurzelte in den tief greifen-den Veränderungen, die die Gesellschaft in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren DDR seit dem Zusammenbruch der Nazidiktatur erfahren hatte. Vom ersten Tage an versuchte die sowjetische Besatzungsmacht, unterstützt von der kommunistischen Partei, erst KPD, später SED, in ihrer Zone eine Diktatur zu errichten. Sie gingen radikal gegen die noch bestehenden bürgerlichen Strukturen vor. Wirtschaft, Verwaltung und Sicherheitsapparate wurden zentralisiert und die entscheidenden Funktionen mit eigenen Kadern besetzt. Die Enteignung und Neuverteilung sowie Verstaatlichung von großen Teilen des Eigentums brachte gravierende Veränderungen für die gesamte Gesellschaft. Der forcierte Aufbau des Sozialismus, beschlossen auf der 2. Parteikonferenz im Juli 1952, verstärkte die Konflikte, die sich erstmals öffentlich in dem Aufstand vom 17. Juni entluden. |
Wie in Berlin
streikten bereits am 16. Juni auch einzelne Leipziger Betriebe. Am
Morgen des 17. Juni marschierten Belegschaften von einigen Baustellen
und Industriebetrieben aus verschiedenen Richtungen ins Zentrum. Wenige
Stunden später zogen bereits 40.000 Menschen durch die Innenstadt.
Die Demonstrationen verliefen zunächst friedlich. Da die Leipziger
Polizei in den ersten Stunden nicht eingriff, glaubten viele an den Sieg
über die SED-Diktatur. Am Nachmittag veränderte sich das Bild des Aufstandes. Brennende Akten, der Kiosk der Nationalen Front am Markt in Flammen, prügelnde Polizisten, fliehende Menschen und sowjetisches Militär in der Stadt kündeten bereits vom Ende der Hoffnung auf eine friedliche Revolution. Mit dem Einsatz von Schusswaffen und der Verhängung des Ausnahmezustandes wurde sie jäh zerstört. Neun Tote und mindestens 95 Verletzte waren im Bezirk Leipzig zu beklagen. Trotz Kriegsrecht und Verhaftungen dauerte der Aufstand noch mehrere Tage an. Die SED, ihre Justiz- und Sicherheitsorgane gingen in den Monaten danach gnadenlos gegen die Aufständischen vor. |
Der Volksaufstand
vom 17. Juni 1953 wurde zum Trauma für die SED-Herrschaft. Bis
1989 hatten die Mächtigen das Ziel, einen neuen Tag X
zu verhindern. Dem diente einerseits der Ausbau des Macht- und Disziplinierungs-apparates
und andererseits die Gestaltung der Sozialpolitik zur Verbesserung der
Lebens-bedingungen. In der Bundesrepublik wurde der Tag der deutschen Einheit bis 1990 als Feiertag begangen. Doch für die offizielle Politik und für die westdeutsche Gesellschaft veränderte sich seine Bedeutung, weil sich das Verhältnis zum anderen deutschen Staat im Laufe der Jahrzehnte wandelte. Der 17. Juni 1953 war das erste große Aufbegehren nach Freiheit im sowjetischen Einflussgebiet. Er steht in einer Linie mit den Volksaufständen in Ungarn 1956 und der CSSR 1968, der Solidarnosz-Bewegung im Polen der 80er Jahre und schließlich der Revolutionen, die 1989 die kommunistischen Regime in Osteuropa stürzten. Erst zum 50. Jahrestag findet wieder eine breite Auseinandersetzung mit diesem heraus-ragenden Ereignis deutscher Geschichte statt. Die Diskussionen um die Bewertung des Ereignisses halten bis heute an. |